Stoppt die Ausbeutung des glo-balen Südens! Nein zum Freihan-delsabkommen mit Indien

23.04.2024

Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 21. April 2024 in Frauenfeld

Am 10. März unterzeichneten die EFTA Staaten (Schweiz, Island, Norwegen, Lichtenstein) und Indien ein Freihandelsabkommen, das erste seiner Art zwischen europäischen Staaten und Indien. Das Abkommen muss noch vom schweizer Parlament abgesegnet werden und soll 2025 ratifiziert werden. [1] Unter den EFTA Staaten betreibt die Schweiz mit Abstand den meisten Handel mit Indien. [2]

Im Freihandelsabkommen ist festgehalten, dass Indien Importzölle für 84.6% der schweizer Exporte nach einer Übergangsperiode von maximal zehn Jahren komplett abschafft und diese bei weiteren 10.1% der Exporte stark reduziert. Zum Grossteil sind dies Produkte aus dem Industriesektor (pharmazeutische oder chemische Erzeugnisse, Maschinerie etc.), jedoch sollen auch Importschranken für ausgewählte Waren aus der schweizer Landwirtschaft abgeschafft werden. Durch das Freihandelsabkommen soll auch Indien in Zukunft Industrieprodukte zollfrei in die Schweiz importieren dürfen. [3]

Insgesamt sind jedoch die schweizer Konzessionen viel kleiner als jene Indiens. Das hat einen wichtigen Grund: Im Gegenzug zum Abbau der Handelsschranken verpflichten sich die EFTA-Staaten, über die nächsten 15 Jahre 100 Milliarden Dollar an Investitionen in Indien zu tätigen und somit ungefähr 1 Million Arbeitsplätze zu schaffen. Dies passt zur wirtschaftlichen Strategie Indiens, welches bereits seit Jahren um mehr ausländische Investitionen ringt, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und dem «westlichen Weg der Entwicklung» zu folgen. Es ist jedoch wichtig, festzustellen, dass dies nicht nur positiv für Indien ist. Tatsächlich fördert es Indiens Rolle als eine auf internationaler Ebene abhängige Nation, welche das eigene Marktpotenzial nicht sättigen kann. Die kapitalistische Klasse, sei es in der Schweiz oder anderswo, sucht immer nach neuen Möglichkeiten, ihre Märkte zu erweitern, da der Kapitalismus ein System ist, welches immerwährendes Wachstum erfordert. Somit ist dieses Abkommen ein neuer Schachzug der großen Schweizer Waren- und Kapitalexporteur*innen, um ihre wirtschaftliche Macht zu stärken und ein Land des globalen Südens wirtschaftlich zu unterwerfen. Die Gewinne des in Indien investierten Kapitals würden weder der indischen noch der schweizer Bevölkerung zugutekommen, sondern dem 1%. Dieses Abkommen ist eine Bekräftigung des schweizer Neokolonialismus.

Im Freihandelsabkommen heisst es ausdrücklich, dass der internationale Handel auf eine solche Art gestärkt werden muss, dass er Armut und Hunger beseitigt und ökologische und soziale Standards stärkt. Doch der Ansatz, wonach Wirtschaftswachstum auch ohne politische Begleitmassnahmen wie der Rückverteilung des Reichtums Armut und Hunger in einem Land mindert, ist grundsätzlich falsch. Diese neoliberale Illusion war lange die theoretische Basis von Institutionen wie dem IMF und der Weltbank und wird zunehmend von Expert*innen - teils selbst dieser Institutionen angehörig - kritisiert. Es ist eine neoliberale Lüge, dass Armut und Hunger durch den Abbau von internationalen Handelsschranken und durch Wirtschaftswachstum erfolgreich bekämpft werden können und dass das Freihandelsabkommen zu diesem Zweck geschaffen wurde. Wirtschaftswachstum löst das Problem der Armut nicht, da dies grundsätzlich aus dem kapitalistischen System und den für sein Funktionieren wesentlichen wirtschaftlichen Ungleichheiten resultiert. Das einzige Ergebnis solcher Massnahmen ist die Bereicherung der Kapitalist*innen, allen voran den Schweizer Waren- und Kapitalexporteur*innen.

Auch die Behauptung, dass mit Hilfe dieses Freihandelsabkommens nachhaltigkeits- und soziale Standards gefördert werden sollen, ist reine Heuchelei. Das kapitalistische System basiert auf Ausbeutung und grünes, nachhaltiges Wachstum, wie es im Abkommen beschworen wird, gibt es nicht. Abgesehen von unglaubwürdigen Beteuerungen der beteiligten Staaten, sich an bestehende und unterzeichnete Abkommen in den Bereichen Arbeit, Umwelt, Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung zu halten, finden sich keine weiteren Regelungen oder Anpassungen zu diesen Themen im Freihandelsabkommen. Es gibt keinen Grund für uns zu glauben, dass die unterzeichnenden Parteien ein Interesse daran haben, solche Versprechen einzuhalten: der eigentliche, nicht ideologische, Grund für diese Rechtfertigungen ist, dass sie eine neokoloniale Strategie verschleiern. So wird, während das 1% davon profitiert, die Idee eines progressiven Kapitalismus gestärkt. Dies stärkt wiederum die Rolle der Schweiz im internationalen Produktions- und Handelssystem und stabilisiert gleichzeitig die nationalistische und quasi-faschistische Regierung von Modi.

Die Rolle von Freihandelsabkommen besteht nicht nur darin, Barrieren für den Warenaustausch abzubauen, um einen billigeren Zugang zu den Märkten zu erhalten. Der Zustrom von Kapital aus der Schweiz bedroht Indiens globale wirtschaftliche Unabhängigkeit direkt. Konkret bedeutet dies, dass ausländische Firmen mehr und mehr den Produktionsprozess diktieren und die indischen Arbeiter*innen direkt ausbeuten. Zudem ist der Kampf gegen imperialistische Kapitalist*innen immer viel härter als gegen die einheimische herrschende Klasse, da diese meist viel mächtiger sind und über mehr Ressourcen verfügen. Die Schweiz könnte sich als Speerspitze erweisen, wenn es darum geht, den Druck Europas und Nordamerikas auf Indien zu verstärken, um es wirtschaftlich weiter zu unterjochen. In jedem Fall wird das Freihandelsabkommen diesem verrotteten imperialistischen System helfen, sich noch ein Stück mehr zu festigen, um sich auf einer ausbeuterischen Basis am Leben zu erhalten.

Aus diesen Gründen

  • Fordert die JUSO Schweiz von der sozialdemokratischen Fraktion des schweizer Parlamentes, geschlossen gegen das Freihandelsabkommen zu stimmen;
  • Prüft die JUSO Schweiz die Ergreifung des Referendums gemeinsam mit anderen Organisationen, sollte das Freihandelsabkommen vom Parlament bestätigt werden.

Quellen:
[1] Freihandelsabkommen mit Indien unterzeichnet (admin.ch)

[2] EFTA Trade Statistics

[3] *CHAPTER (efta.int)